Wanted_Negative – Das Verschwinden der Lucia Moholy
Wanted_Negative – Das Verschwinden der Lucia Moholy

Wanted_Negative – Das Verschwinden der Lucia Moholy

Eine menschliche Leerstelle

 ,,Du, Lucia, hast alles richtig gemacht und doch weiß niemand wer du bist‘‘

Lucia Moholy in Wanted_Negative

Künstlerin, Kommunistin, Jüdin und Frau- Das heißt es vergessen zu werden. So erinnerte sich auch niemand an Lucia Moholy.

Erinnerungen. Erinnern. Hat was von entrinnen, nicht? Von Verschwinden.

Wir wollen alle im Gedächtnis andere bleiben, wir wollen, dass sie sich an uns erinnern. Sie kennen Lucia Moholy nicht?

Lucia Moholy. Die Geschichte der Fotografin des 20. Jahrhunderts beruht auf einer wahren Geschichte. Sie floh vor dem Krieg und musste ihre über 500 Glasnegative zurücklassen. Diese wurden ohne die Erwähnung ihres Namens von Walter Gropius, dem Leiter des Bauhauses, das Schulgebäude für Kunst, Design und Architektur, veröffentlicht. Daraufhin geht sie in den Rechtsstreit, diesen gewinnt sie, dennoch gibt Gropius ihr nur einen Teil ihrer Negative zurück, der Rest bleibt bis heute verschwunden.

Das Bauhaus, welches den Baustil der Weimarer Republik prägte, besuchten Frauen und Männer gleichermaßen und entwickelten künstlerischen Minimalismus und platzsparenden Wohnungsbau. Es gilt bis heute als eine Heimstätte der Avantgarde und klassischen Moderne. Später entstand unter Lucia Moholy auch eine Fotografieszene. Jedoch wird diese zu Beginn nicht erwähnt. Unter Hitler verschwand die Schule. Heute versucht das Bauhaus über verschwundene Bilder von diversen Künstlerinnen aufzuklären. Doch ,,Alles Positive hat auch Negatives‘‘, wie Lucia erklärt.

Dieser Skandal, wird im Stück von Kathrin K. Liess (Text), Simone Glatt (Regie) und Lisa Eder (Darstellerin) aufgegriffen. Der Geist von Lucia Moholy nutzt im Spiel gezielt Sarkasmus und Ironie. Somit stellt sie den „Fortschritt“ in der Emanzipation der Frau beim Bauhaus an den Pranger.

Das Stück ist geprägt von Erinnerungsfetzen, von Sachen, die Männer zu ihr gesagt haben. Sie äfft diese förmlich nach. Die Zitate erscheinen lächerlich im heutigen Kontext und doch waren sie früher normal. Oft geht sie hierfür hinter einen transparenten weißen Vorhang. Die Vergangenheit. Dann spricht sie in ein Mikrofon und ihre Stimme ist laut. Sie macht die Vergangenheit laut. ,,Erinnerung heißt Auflehnung‘‘ erklärt sie und nun leistet sie Widerstand. ,,Du, Lucia, hast alles richtig gemacht und doch weiß niemand wer du bist‘‘, sagt sie im weiteren Verlauf.

Im Stück scheint sich ein Bruch vorzufinden. Ihr Schauspiel ist zu Beginn noch suchend und auf eine Reihe von Wutanfällen aufgebaut, danach ist es geprägt von rebellischer verzweifelter Lautstärke. Geht es zu Beginn nur um die Rolle der Frau im Bauhaus, geht es im Folgenden um die Bedeutung ihrer jüdischen Identität, die sich auf nichts als einer Leerstelle und Exil aufgrund des Holocaust befasst. Es gibt ein Sprichwort, das lautet, wenn man einen Streit zuschauen möchte, bräuchte es nur zwei Juden, die sich um die Bedeutung des Judentums für sie streiten. So auch Lucia Moholy.

Um nochmal auf das Schauspiel Eders zurückzukommen, hebt sie nicht nur die Entwicklung der Lucia Moholy hervor, sondern verwendet auch Stilmittel wie das Heraustreten aus der Rolle (der Parabase), das flüssige Wiedereintreten in die Rolle, sowie ihr aufgewecktes Spiel mit Stimme und Körper und einen Rausch von Emotionen, sondern bezieht sich auch auf die Gegenwart, beispielsweise werden Themen wie Feminismus, Identität, was es heißt in Deutschland Jude/Jüdin zu sein und Identitätsdiebstahl behandelt. Dies macht das Stück vollwertig und zu einem wichtigen Stück Kunst.

Beim Nachgespräch mit der Regisseurin und der Autorin in der Kakadu Bar, sowie einem privaten Gespräch mit der Regisseurin, wird klar, dass es ein Herzensprojekt der beiden Frauen ist. Monatelange Recherche, Spurensuche und der Ansporn, das Rätsel der verschwundenen Negative der Lucia Moholy zu lösen, haben das Team zur Fertigstellung dieses Stücks inspiriert. Es gäbe mehrere Wege dieses Stück zu interpretieren und es sei nur die Sicht von Liess und Glatt auf dieses Thema, meint Glatt in unserem Gespräch. 

Das Stück endet mit der Ausstrahlung von Lucias Bildern, dazu traurige Musik und die Worte ,,War das Gut? Werde ich in Erinnerung bleiben?‘‘ 

Und die Zuschauenden hoffen, das wird sie.

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