Portrait – Ian De Toffoli
Portrait – Ian De Toffoli

Portrait – Ian De Toffoli

Ian De Toffoli – Ein Einblick in das Autorenleben

Nach 10 Bier kommen oft meine Freunde zu mir und fangen so an: Was ich dir jetzt erzähle, dass darfst du keinem weitererzählen.

Ian de Toffoli

Das war der Satz der unserer Gruppe am meisten im Gedächtnis blieb. Hauptsächlich, weil das Wort Bier vorkam. Spaß beiseite, denn heute wollen wir uns mit dem Autor des Stückes „Tiamat“ befassen. Ian de Toffoli. Zuerst einmal ein Umriss:

Ian de Toffoli ist ein Autor und Literaturkritiker, der am 25. Juni 1981 in Luxemburg geboren wurde. Sein Vater, Italiener, und seine Mutter, Luxemburgerin, zogen ihn in Luxemburg groß.  Diese Nationalitäten und sein Heimatland spielen in fast all seinen Stücken eine fundamentale Rolle. Er hatte schon immer Geschichten geschrieben und fing mit 10 Jahren an kurze Erzählungen zu verfassen. So ergab sich eins zum anderen in seinem Leben. Er selber sagt dazu scherzhaft: „Ich bin nur Schriftsteller damit ich nicht auf die Bühne muss.“ Da es zu seiner Zeit keine ganze Universität in Luxemburg gab, ging er für sein Studium nach Paris, wo er französische Literatur studierte. Er verfasst seine Stücke in verschiedenen Sprachen. 

Wie schon angedeutet spielt bei ihm der Gedanke der Identität eine große Rolle. Da er gebürtig mit zwei Nationalitäten aufwuchs, konnte er sich nie einer dieser vollständig zuordnen. Denn während er in Luxemburg als Kind unter rassistischen Kommentaren litt, da er Halbitaliener ist, wurde er in Italien gefragt, woher er denn komme, da sein Italienisch für einen Ausländer so gut sei. Und diese Art von „Zerrissenheit“ seiner Nationalitäten und die nicht klar definierte Zugehörigkeit hat seit Beginn an eine fundamentale Rolle in seinem Leben eingenommen. Diese Frage der Identität fließt in fast all seine Stücke. Da er keine klare Nationalität hat, klärt er für sich die Identitätsfrage, damit, dass er sich Europa zugehörig fühlt und dieses folgend beschreibt: „In Europa gibt es unter den einzelnen Ländern Unterschiede. Jedoch bilden all diese Kulturen ein ganzes Miteinander, was nach Außen von wenigen Differenzen getrennt wird.“ 

Während man als Laie die  Vorstellung von einem*r Autor*in haben könnte, dass dieser zu Hause säße und sich den ganzen Tag Sachen aus dem Hut ziehen würde, ist die Arbeitsweise, zumindestens bei Ian de Toffoli, völlig anders. Er beschreibt es selber so: „Ich bin wirklich unfähig irgendetwas zu erfinden. Ich benutze einfach alles, was um mich herum ist.“ Hierfür steht Beispielhaft der Charackter Marie aus Tiamat: „Bei Marie war es wirklich eine Bekannte von mir, die ich eingebaut habe. Sie war die Inspiration für diese Figur, denn sie war im echten Leben eine Anwältin in einer Kanzlei und hatte gekündigt, weil ihr die krummen Geschäfte nicht gefallen. Sie ist dann nachher bei der Polizei aus moralischen Gründen Anwältin geworden, da sie dort einen Sinn in ihrer Arbeit gefunden hat. Aber das ist aber auch gefährlich, weil Freunde sagen immer, ich will wirklich nicht in deinem Stück landen.“ Ian findet so oft durch Bekanntschaft oder durch Menschen, die er kennenlernt die Inspiration zu gewissen Figuren in seinen Stücken. Ähnlich verläuft es auch bei der allgemeinen Ideensammlung. Oft hört er von Geschichten aus dem echten Leben, die er interessant und passend findet und erarbeitet aus diesen dann eigene Ideen. Oder er stößt im Alltag auf Vorkomnisse, die er in seine Stücke miteinfließen lässt. Wie zum Beispiel bei seinem Stück AppHuman. In diesem geht es nach der Inhaltsangabe, um die „Frage nach dem Menschen, der sich einer hypertechnologisierten Welt gegenübersieht.“ Auf die Idee dazu kam er durch den Vorfall der Firma Uber, wo ein Prototyp eines selbstfahrenden Autos einen Unfall baute, bei dem ein Mensch auf einem Fahrrad umkam. Die Firma zahlte daraufhin hohe Summen, damit dieser Vorfall nicht zu einem Skandal entwickelt, jedoch verbleibt auch mit dem Blick auf die Zukunft und der Automatiserung die Frage nach der Verantwortung für solch in Zukunft vorkommenden Geschehnisse. Hieran sieht man wie realitätsgewandt und zeitnah seine Ideen sind und, was sie eben auch als Kritik für die Gesellschaft im Hier und Jetzt bedeuten. Hierzu meint Ian: „Man schreibt Theater über den Ort den man lebt und den man kennt und hat immer einen Bezug zur Realität.“ 

Wenn er als Autor die Idee gefunden hat zu seinem Stück, muss er sich auf die Recherche wie ein Journalist begeben. Hierbei läuft es wie am Anfang, dass Ian auf unkonventionellere Arten zu Informationen gelangt. Wie zum Beispiel bei Tiamat: „Bei Tiamat war es so, dass ich einen ziemlich großen Freundeskreis habe, der eben in Consulting Firmen arbeitet. Und da läuft es immer ähnlich dass mein Bekannter dann nach 10 Bier ankommt und sagt ‚Ey, also das was ich dir jetzt erzähle, darfst du natürlich niemanden erzählen‘ und so kommt man eben auch zu Informationen für seine Stücke. Auch allgemein findet man oft Inspiration zu Werken bei Freunden in Gesprächen oder im Alltag. Aber wie gesagt, mir etwas von Grund auf ausdenken, nein das kann ich nicht.“  

Die Gäste in der Kakadu Bar warten auf den Beginn der Lesung „Tiamat“

Sein Stück Tiamat wurde unter anderem am Montag in der KakaduBar durch eine szenische Lesung aufgeführt. Es handelt von einem Anwalt, der in eine Kneipe geht, da er den Weg nach Hause noch nicht finden konnte. In einem inneren Monolog berichtet er, was ihn antreibt, warum die Kommunikation mit seiner Frau kompliziert ist und was er geschäftlich macht. Er betreibt eine Kanzlei für Wirtschaft- und Handelsrecht, die auch durch illegale Geschäfte zu Geld kommt. Er hat sich in einen Kunsthandel verstrickt, bei dem er die offiziellen Verkaufsdokumente anfertigen muss, die ihm zu schaffen machen. Denn unter den Kunstschätzen ist eine babylonische Statue der Tiamat, die er unbedingt kaufen will. Tiamat ist in der mesopotamischen Mythologie die Mutter vieler Ungeheuer und verkörpert das Salzwasser. Dieser Monolog besteht aus nur einem Satz, der uns in eine Welt der luxemburgischen Geschäftskanzleien und deren schmutzigen Geschäfte bringt. Dieses Stück basiert auf einer grausamen, schrecklichen Wahrheit: Es ist belegt, dass der Kunsthandel eine der Haupteinnahmequellen des islamischen Staates ist. “Der Verkauf dieser Kunstschätze kann da natürlich nicht legal ablaufen, daher sind Länder wie Luxemburg, die Schweiz oder Singapur mit ihren Pfoten im Spiel” so Ian de Toffoli selbst. Ian recherchierte und sei über einen Artikel auf einen Skandal in Genf aufmerksam geworden, bei dem in einem Freizolllager illegale, geschmuggelte Waren gefunden wurde. De Toffoli beschreibt diese Freizolllager selbst als riesengroß, sehr gut beschützte Schatzkammern. Anhand dessen, entstand die Geschichte des Anwaltes, der selbst in einen derartigen Kunsthandel verstrickt ist. Jedoch findet im Laufe des Stückes der Anwalt zur Vernunft und entwickelt ein schlechtes Gewissen, da er gewissermaßen den Krieg im Nahen Osten finanziert. Der Autor bezeichnet es als eine Art Dilemma. “Der Anwalt hat einen guten Verdienst und führt ein gutes Leben und dennoch ist er sich doch bewusst, dass er eine Dummheit begangen hat.” Also man kann sagen in diesem kurzen Stück nimmt der Anwalt eine erhebliche Charakterentwicklung vor, die ihn etwas menschlicher wirken lässt. Unserer Meinung nach ist das Stück sehr vielversprechend, da die Handlung auf realen Hintergründen basiert und die Figur eine gute Entwicklung vornimmt. Die stilistische Verwendung, dass es ein einziger langer Satz ist, ist wirklich äußerst interessant. De Toffoli sagt der Zuschauer soll sich irgendwann mulmig fühlen und das Gefühl bekommen, dass die Handlung über ihm einbricht. Zwar war es für den Schauspieler, Luc Schiltz, das Ziel diese Erwartungen des Autors zu erfüllen. Jedoch erfuhr er erst zwei Tage zuvor davon, dass er Tiamat vortragen würde. Deswegen hatte Luc mit dem Text zu kämpfen, da sich siebzehn Seiten nicht in 48 Stunden beherrschen lassen. Dennoch war es sehr anregend und unterhaltsam; zumindest aus der Sicht von unerfahrenen Theaterkritikern. Zudem sind diese beiden Persönlichkeiten, Luc Schiltz und Ian de Toffoli, sehr sympathisch und das anschließende Gespräch nach der Lesung war sehr interessant. Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Stück eine Geschichte basierend auf Fakten und eine gute Unterhaltung verspricht. Die Intention dahinter auf Missstände in der Welt hinzuweisen, wird voll erfüllt und durch die Zweifel des Anwalts bekräftigt. Die szenische Lesung ist, trotz der harschen Selbstkritik des Autors, in unseren Augen weiterzuempfehlen sehr anregend.

Zum Schluss denken wir, dass Ian eine äußerst interessante Persönlichkeit ist und solch ein Autorenleben sich wahrlich interessant anhört. Es mag zwar nicht für jeden sein, aber Autoren wie Ian bringen nicht nur einen Gewinn für das Theater an sich, sondern vor allem auch für die Gesellschaft. 

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